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Demenz & Abwehrendes Verhalten
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Bei Menschen mit Demenz sind Fingerspitzengefühl umd Empathie besonders gefragt. Um den Menschen für die Mundpflege zu gewinnen, muss häufig zunächst das aktuelle Gefühl des betroffenen Menschen erspürt und "zurückzugeben" werden. Techniken der Validation sind bei Menschen mit Demenz oft der Schlüssel für eine erfolgreiche Beziehungsgestaltung und damit auch für eine gelingende Mundpflege.

Weitere Informationen zum Thema Demenz finden Sie unter Allgemeinerkrankungen > Demenz

Demenz

Demenz hat viele "Gesichter". Gedächtnisverlust sowie Veränderungen der Persönlichkeit sind abhängig von Art und Stadium der Erkrankung. Äußerungen, Gesten und Handlungen erscheinen teilweise sinnlos.

Zentral für die erfolgreiche Beziehungsgestaltung ist, das dem Augenblick zugrundeliegende Gefühl zu erspüren und den Menschen in seiner Welt „abzuholen“. Die Techniken der sogenannten Validation (Wertschätzung) tragen entscheidend zum Gelingen der Zahn- und Mundpflege bei. Interessante Konzepte zur Validation wurden unter anderem von Naomi Feil, Nicole Richard und Jenny Powell entwickelt.

Bei Demenz sind Techniken der Validation (Wertschätzung) im Alltag und in speziellen Situationen sehr hilfreich.

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. bietet 11 Tipps zur besseren Verständigung mit Menschen mit Demenz (siehe Bild) sowie weitere Infoblätter und Plakate in verschiedenen Sprachen. Weitere Informationen finden Sie hier.

Infoblatt "11 Tipps zur besseren Verständigung mit Menschen mit Demenz"Infoblatt "11 Tipps zur besseren Verständigung mit Menschen mit Demenz"

Zudem bietet die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. bietet zudem ein eigenes Infoblatt zu relevanten Fragestellungen im Hinblick auf Mundgesundheit und Demenz auf Ihrer Homepage an.

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. bietet darüber hinaus einen Demenz-Podcast an. Der Podcast erscheint monatlich mit Informationen für alle, die sich mit Demenz befassen. Jede Sendung behandelt ein Thema und dauert etwa 30 Minuten. Folge 58 beschäftigt sich mit "Zahnpflege und Demenz".

Infoblatt "Mundgesundheit und Demenz"Infoblatt "Mundgesundheit und Demenz"
  • Ansprache auf Augenhöhe
  • Keine „Kindersprache“, keine „Wir-Form“
  • Sprechen Sie vorzugsweise in kurzen, deutlichen Sätzen.
  • Achten Sie auf eine warme, tiefere Stimmlage.
  • Beginnen Sie jede Kommunikation damit, dass Sie sich vorstellen und den Namen betroffenen Menschen nennen.
  • Erklären Sie kurz, was Sie machen wollen.
  • Teilen Sie Anleitungen in einzelne Schritte mit Pausen auf (z.B. statt "Spülen Sie bitte aus!": "Nehmen Sie bitte den Becher. Nehmen Sie einen Schluck in den Mund. ...)"
  • Wiederholen Sie einen Satz oder eine Frage, wenn nötig.
  • Behaupten Sie nicht, etwas verstanden zu haben, wenn das nicht stimmt, sondern wiederholen Sie den Teil des Satzes, den Sie verstanden haben, und bauen Sie darauf Ihre Rückfrage nach dem nicht verstandenen Teil auf.
  • Geben Sie der älteren Person viel Zeit, um auf Fragen zu reagieren; die Reaktionszeiten können fünfmal langsamer sein als bei gesunden Personen.
  • Beugen Sie Angst vor, vermeiden Sie zu flüstern oder über Patienten/-innen zu sprechen als wären sie nicht anwesend.
  • Verwenden Sie Lob und positive Rückmeldung zur Verstärkung.
  • Ansprache aller Sinne (Sprechen mit Gesten unterstützen)
  • Stellen Sie vor dem Gespräch erst einen intensiven Blickkontakt her.
  • Lächeln Sie häufig (gutes Gesicht) und achten Sie auf sanfte Berührungen.
  • Führen Sie nicht zwei Handlungen gleichzeitig aus.
  • Wenden Sie dem Menschen nicht den Rücken zu, während Sie sprechen, sondern stellen oder setzen Sie sich so hin, dass er Sie sehen, gut hören und auch anfassen kann.
  • Durch Körperkontakt (Halten der Hand) unterstützen Sie die Erinnerung, dass Sie anwesend sind.
  • Bei eingeschränktem Bewusstsein – Kontakt-Anbahnung, dabei erfolgt die Berührung zunächst am Unterarm, folgte anschließend weiter zur Schulter und schließlich zum Kopf und Mund
  • Ausreichendes, aber blendfreies Licht
  • Keine Hintergrundgeräusche
  • Reduzieren Sie die anwesenden Personen im Raum
  • Stellen Sie sicher, dass die erkrankte Person es gemütlich hat
  • Achten Sie auf die Raumtemperatur (nicht zu kühl)
  • Stellen Sie Objekte bereit, die der Ablenkung dienen und gehalten werden können

Abwehrendes Verhalten

Im Fall von abwehrendem Verhalten sind neben den Techniken der Validation weitere besondere Maßnahmen der Interkation wie z.B. die Anbahnung oder die Spiegelung hilfreich. Am Ende kann es aber auch einfach der Geschmack der Zahnpasta sein, der falsche Zeitpunkt oder die "falsche" Person sein, die zu abwehrendem Verhalten führen.

Abwehrendes Verhalten

Abwehrendes Verhalten (CRB: „care resistant behaviour“) bei der Mundpflege zeigt sich durch:

  • Wegdrehen des Kopfes
  • Zusammenpressen der Lippen
  • Wegstoßen der Hand bei Annäherung oder während der Pflege
  • Verbale Ablehnung

Neben der Validation bei Demenz gilt für die Durchführung der notwendigen Unterstützung bei der Mundpflege:

Lassen Sie sich auf die Realität der zu pflegenden Person ein. Wenn sie z.B. darauf beharrt, dass sie die Mundpflege schon durchgeführt hätte, obwohl sie wissen, dass dies nicht der Wahrheit entspricht, akzeptieren Sie die Haltung der zu pflegenden Person. Sie können z.B. antworten „Ich weiß – und ich bin froh, dass Sie das schon getan haben. Aber Sie haben ja gerade erst zu Abend gegessen. Deswegen können wir Ihren Mund vor dem Schlafengehen ja noch einmal kurz frisch machen.“ Eine auf Logik basierende Argumentation seitens der betreuenden Pflegekraft endet zumeist in einer unproduktiven Diskussion, die zu dem Ergebnis führt, dass die Mundpflegeintervention schlichtweg ausfällt.

Gesten und Pantomime können zu einem besseren Verständnis führen und damit die Bedrohlichkeit senken.

# Maßnahme Hinweise
1 Führen Sie die Mundpflege in einer ruhigen Umgebung durch. Reduzieren Sie möglichst die Anzahl der anwesenden Personen. Ein hoher Lautstärkepegel und zusätzliche Personen können bedrohlich wirken.
2 Nähern Sie sich auf Augenhöhe und bleiben Sie innerhalb des Blickfeldes der zu pflegenden Person Eine Annäherung von hinten oder von oben herab kann als Bedrohungssituation wahrgenommen werden und damit eine Abwehrhaltung provozieren.
3 Bauen Sie eine positive Beziehung zu der zu pflegenden Person auf. Initiieren Sie ein simples Gespräch (z.B. ein Kompliment über die Kleidung machen). Nicht bedrohliche Konversationen können dabei helfen eine Situation als „sicher“ zu etablieren.
4 Setzen Sie im Sinne der Anbahnung Berührungen ein – allerdings mit Bedacht: zunächst z.B. am Arm beginnend und dann weiter die Hand bis zum Mund führen – kombiniert werden. Berührungen können beruhigend wirken und potenzielle Ängste lindern.
5 Lächeln Sie während der Interaktion. Die Situation kann durch ein Lächeln mit positiven Emotionen assoziiert werden. Das hilft dabei die Situation als „sicher“ darzustellen. Ein Mensch der lächelt, wird auch nicht als bedrohlich empfunden.
6 Vermeiden Sie „Kindersprache“. Nutzen Sie keine Kollektivpronomen (z.B. „Jetzt putzen wir mal die Zähne“) Nutzen Sie keine herabwürdigenden Begriffe (z.B. „Schätzchen“ oder „Liebchen“). Ein herablassender und entmenschlichender Grundton, der mit Kindersprache einhergeht, kann die Bedrohungswahrnehmung des demenziell Erkrankten erhöhen.
7 Sorgen Sie für Ablenkung. Achtung: Die Person soll nicht in ein Gespräch verwickelt werden oder sich animiert fühlen, mitzusingen. Es ist wichtig, dass die Person sich nicht während der Mundpflege verschluckt. Singen, sprechen oder die Nutzung eines Stofftiers reduziert abwehrende Verhaltensweisen.
8 Überbrückung: Händigen Sie die Utensilien, die für die Zahnpflege benötigt werden, der zu pflegenden Person aus, auch wenn sie die Mundpflege nicht selbstständig durchführt. Hierdurch können prozedurale oder unbewusste Erinnerungen stimuliert werden, die im Verlauf des Lebens repetitiv angewendet und gelernt wurden. Durch diese Einbindung wird die Situation eher als unbedrohlich wahrgenommen.
9 Priming bzw. Bahnung: Nutzen Sie die Objekte der Umgebung, um der zu pflegenden Person zu ermöglichen, die Mundpflege selbstständige zu beginnen, zu begleiten oder zu komplettieren. Geben Sie z.B. der zu pflegenden Person den Mundspülbecher in die Hand, der Mensch übernimmt den Becher dann und spült selbst aus. Genau wie bei der „Überbrückung“ sollen beim „Priming“ bzw. bei der Bahnung Erinnerungen stimuliert werden. Bei der Selbstpflege ist es unwahrscheinlicher, dass die Situation als bedrohlich wahrgenommen wird.
10 Verkettung: Führen Sie die Mundpflegemittel wie z.B. der Mundspülbecher oder die Zahnbürste unterstützend bis zum Mund. Die zu pflegende Person übernimmt an dieser Stelle und spült den Mund selbstständig aus. Auch hier steht die Selbstpflege im Fokus.
11 Hand über Hand: Legen Sie die eigene Hand auf die Hand der zu pflegenden Person und führen Sie die Bewegung gemeinsam aus. Oder legen Sie die alternativ Hand der zu pflegenden Person auf Ihren Unterarm und führen so die Hand während der Mundpflege mit. Die gemeinsame Ausführung senkt die Bedrohungswahrnehmung. Diese Technik ist besonders beim Entfernen von Zahnprothesen empfehlenswert.
12 Stichwort geben bzw. um Hilfe bitten: Geben Sie kurze, höfliche und einschrittige Anweisungen. Bitten Sie ggf. die zu pflegende Person um konkrete Mithilfe: „Können Sie mir dabei helfen sich die Zähne zu putzen?“ Die Fähigkeit älterer Menschen mit Demenz, verbale Kommunikation zu verarbeiten, insbesondere von komplexen Anweisungen, nimmt mit dem Fortschreiten der Krankheit ab. Das „Stichwort geben“ verhindert eine verbale Überlastung und damit eine darauf aufbauende Bedrohungswahrnehmung. Die Bitte zur Mithilfe kann in bestimmten Fällen die Einordnung der Situation in den Kontext der zu pflegenden Person. Dies schafft Sicherheit.
13 Spiegeln: Machen Sie eine Maßnahme vor. Werden Handlungen vorgemacht, kann dies Erinnerungen wachrufen, die eine selbständige Durchführung nach sich ziehen.
14 Spieglein, Spieglein: Positionieren Sie die zu pflegende Person vor einem Spiegel und stellen Sie sich direkt dahinter. Greifen Sie um die zu pflegende Person herum und unterstützen Sie sie so bei der Mundpflege. Die „Spieglein, Spieglein“-Technik ähnelt dem Vorgehen beim Priming. Dies ist besonders nützlich bei Personen, die dazu neigen den Mund zuzukneifen. Menschen öffnen ihren Mund häufig automatisch, wenn die Mundpflege vor einem Spiegel erfolgt.
15 Retten: Wenn die abwehrenden Verhaltensweisen eskalieren, ziehen Sie sich aus der Situation zurück. Lassen Sie sich durch eine andere Pflegekraft „ersetzen“. Manchmal kann die Bedrohungswahrnehmung mit einer bestimmten Person verbunden sein. Daher ist es manchmal ratsam sich zurückzuziehen. Die zweite Person kann dann von der zu Pflegenden Person als „Retter“ angesehen werden. Dadurch werden die Mundhygienemaßnahmen evtl. doch noch zugelassen.

Diese Techniken und Maßnahmen werden in der Literatur beschrieben, unter anderem auch als "Mouth Care Without a Battle" (MCWB) oder "Managing Oral Hygiene without Threat reduction" (MOUTh).

Quellen

Neben den bisherigen Maßnahmen sollten auch noch folgende Punkte kritisch hinterfragt werden:

  • Andere Gelegenheit bzw. anderer Zeitpunkt?
  • Andere Umgebung?
  • Andere Pflege- und Hilfsmittel (Zahnpasta : Geschmack, Schärfe – Zahnbürste: Borstenhärte, Abnutzung)?
  • Andere Handschuhe (Farbe, Geruch, Oberfläche, Allergie)?

Schließlich können auch Schmerzen oder Probleme z.B. im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich die Ursache für abwehrendes Verhalten sein. Wenn möglich sollten die Mundhöhle und ggf. vorhandene Zahnprothesen genau inspiziert werden. Unter Umständen ist es notwendig, einen Zahnarzt hinzuzuziehen.

Diese Seite wurde zuletzt am 04.04.2024 geändert.

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